Was ist ein gutes Visual für Beratung und Coaching? Bei dieser Frage geht es um weit mehr als um Geschmack und individuelle Vorlieben. Es geht darum, ob das Visual funktioniert. Ob es das abbildet, was wir sagen wollen. Es geht darum, ob es Aufmerksamkeit weckt und überhaupt gesehen wird, ob es den Fokus und das gegenseitige Verständnis vertieft. Es geht darum, ob es die Arbeitsbeziehung stärkt und den Prozess voranbringt. Es geht darum, ob es tut, was es soll.
Aber wie muss ein Visual aussehen, damit es gut funktioniert? Dieser Frage haben wir uns in der Online-Werkstatt “Visuals für Beratung und Coaching” gestellt. Wir haben Schaubilder, Charts, Karten und visuelle Formulare, die wir in unserer Arbeit nutzen, genauer unter die Lupe genommen, um herauszufinden, wie wir sie verbessern können. Dabei haben wir die visuellen Tools einer Reihe von Fragen unterzogen. Die folgende Checkliste fasst die Fragen in drei Gruppen zusammen. So können wir systematisch prüfen, ob ein Visual unseren Ansprüchen gerecht wird: Kurz zusammengefasst: Es geht um nicht weniger als um das Wahre, Schöne und Gute von Visuals in Beratung und Coaching. Hier die Checkliste:
Checkliste für Visuals in Beratung und Coaching
Ist es wahr? Fragen zu Inhalt und Konzept
Im ersten Fragenblock geht es darum, ob das Visual inhaltlich richtig ist. Tatsächlich gibt es zahlreiche Beispiele für Visuals, die im Coaching- und Trainingskontext beliebt und verbreitet sind, obwohl die Inhalte zumindest umstritten sind (etwa die Maslowsche Bedürfnispyramide oder diverse Eisbergmodelle). Außerdem kann es vorkommen, dass die theoretischen Konzepte, die verschiedenen Visuals zugrunde liegen, nicht immer miteinander vereinbar sind. Ich schlage folgende Fragen vor:
- Passt das Visual mit dem zusammen, was ich verbal ausdrücke?
- Stimmt die Aussage, die mit dem Visual vermittelt wird? Ist die visuelle Aussage wahr? Ist sie evidenzbasiert und wissenschaftlich fundiert?
- Stimmt die Beschriftung? (Z.B. die Prozentzahlen im Tortendiagramm oder am Eisberg-Modell?)
- Passt die Aussage des Visuals in mein Coachingkonzept?
- Sind die Aussagen der verschiedenen Visuals miteinander vereinbar?
- Stimmt das Visual mit dem überein, was ich verbal ausdrücke, bzw. bildet es ab, was in der Sitzung erarbeitet und kommuniziert wurde?
- Entsprechen die Symbole dem, was ich mit ihnen vermitteln will?
- Passen die Symbole, die ich im Prozess einsetze, zueinander oder vermitteln sie widersprüchliche Aussagen?
- Ist die (inspirations-)Quelle vermerkt?
- Verzichtet es auf unnötige, fragwürdige und ablenkende Inhalte?
Ist es schön? Fragen zu Klarheit und Ästhetik
Voraussetzung dafür, dass ein Visual wirken kann, ist, dass es überhaupt wahrgenommen wird und dass unsere KlientInnen Lust haben, sich näher darauf einzulassen. Auch wenn formal-ästhetische Aspekte bei einem Arbeitsvisual nicht unbedingt vordergründig sein sollten, so sind sie doch hilfreich, um Inhalte zu strukturieren und zu vermitteln. Umgekehrt kann ein Visual auch so überzeugend gestaltet sein, dass man über inhaltliche Fehler hinwegsieht.
- Spricht das Visual meine Zielgruppe an? Macht es meinen KlientInnen Lust, sich intensiver damit auseinanderzusetzen?
- Ist es lesbar, gut strukturiert und klar gestaltet? Kann man schnell erkennen, worum es geht?
- Kann man erkennen, was abgebildet ist?
- Ist das Visual gut und übersichtlich strukturiert?
- Ist klar abgebildet, wie die einzelnen Elemente der Visualisierung zueinander in Beziehung stehen? Sind z.B Gegensätze, Zusammengehörigkeiten, Abgrenzungen und Verbindungen sowie hierarchische Einordnungen klar?
- Passt der Stil des Visuals in den Arbeitskontext und zu meiner Zielgruppe? (Verspieltheit, Sachlichkeit, Humor, Niedlichkeit? Farbigkeit? Linienführung, Symbolauswahl)
Wirkt es gut? Fragen zu Beziehung und Prozess
Tut das Visual was es soll? Funktioniert es in der Arbeitsbeziehung? Diese Fragen sind fundamental für die Beurteilung von Arbeitsvisuals. Auch wenn es graphisch nicht perfekt ist, kann es funkionieren.
- Kann mein Gegenüber das Visual verstehen? (Oder besteht die Gefahr einer Fehlinterpretation, etwa weil der kulturelle Hintergrund ein anderer ist? Setzt es Wissen voraus?)
- Ist das Visual geeignet, die Arbeitsbeziehung zwischen Coach und Coachée, beratender Person und KlientIn zu stärken? (Liefert es Anknüpfungspunkte und Gesprächsanlässe? Ist der Humor angemessen? Passt die Anmutung? Ist es zu sachlich oder zu niedlich?)
- Kann das Visual abbilden, was in der Sitzung besprochen wird?
- Hilft das Visual Verständnis herzustellen (oder stiftet es Verwirrung)?
- Hilft das Visual Missverständnisse aufzudecken?
- Ist es möglich, das Visual zu korrigieren und anzupassen (oder wirkt es zu perfekt, um es verändern zu können)
- Hilft das Visual Augenhöhe und Transparenz herzustellen?
- Ist klar, welche Frage, welches Thema im Arbeitsprozess mit dem Visual bearbeitet wird?
Manchmal arbeiten wir mit Visuals, die uns nicht ganz zufrieden stellen aber wir können nicht genau benennen, was uns stört. Hier kommt die Checkliste ins Spiel. Sie soll mit ihrer einfachen Strukturierung (in das Wahre, das Schöne und das Gute) helfen, systematisch an das Visual heran zu gehen und Ansatzpunkte zu finden, die wir verbessern können. Manchmal müssen wir vielleicht nur die Beschriftung ändern oder die Zahlenangaben (in einem Tortendiagramm) überprüfen. Manchmal hilft es, das Visual auf die wesentlichen Aspekte zu reduzieren, Dinge weg zu lassen und es noch einmal neu zu zeichnen. Oft hilft es, die Inhalte eines Visuals auf mehrere Blätter zu verteilen.
Ziel ist es nicht, das perfekte Visual zu entwickeln, das allen Ansprüchen gerecht wird. Denn unsere Klienten und Klientinnen entwickeln permanent neue Ansprüche, es kann also das perfekte Visual nicht geben. Ziel ist es vielmehr, die Visuals, mit denen wir arbeiten, immer besser zu machen, achtsam mit ihnen zu sein, sie immer wieder neu einzusetze. Wie unsere verbale Sprache ist auch unsere visuelle Sprache ein Tool, das den Austausch braucht, um seine Wirkung zu entfalten. Und das immer wieder aufs Neue.
Sehr interessanter Beitrag – vielen Dank dafür!