Wenn Gefühle ins Spiel kommen, dann wird es für uns als BeraterIn oder Coach spannend und heikel zugleich. Mit Visualisierungen haben wir das Handwerkszeug, um mitfühlend, kräfteschonend und professionell damit umzugehen. Zeichnend können wir Gefühle angemessen aufnehmen und so transformieren, dass eine Veränderung zum Besseren in Sicht kommt.
Doch was macht den Umgang mit unangenehmen Gefühlen überhaupt so schwierig? Wir als Coaches und Berater können uns meistens nur zu gut in unsere Klienten und Klientinnen hinein versetzen, wenn sie mit Angst oder Ärger, Hilflosigkeit oder Wut ins Gespräch kommen. Die viel gepriesene Empathiefähigkeit birgt aber leider die Gefahr, dass wir uns “emotional anstecken” lassen. Dabei können wir unsere Sicht auf das Problem unprofessionell mit der unseres Gegenübers vermengen. Außerdem führt zuviel Empathie zu empathischem Stress, der wiederum in vielen sozialen Berufen für Burnouterkrankungen verantwortlich gemacht wird. Mit einem Burnout aber ist weder uns selbst noch unseren KlientInnen gedient.
Eine naheliegende Abwehrreaktion ist es daher, emotional auf Distanz zu gehen, und auf der Sachebene zu agieren. Doch falsch verstandene “professionelle Distanz” hat einen entscheidenden Nachteil: Uns entgehen wertvolle Informationen darüber, wie sich das Problem aus der Sicht unseres Gegenübers anfühlt, wie es zu den einzelnen Problemfaktoren steht, ja, was das Gegenüber überhaupt als Verbesserung ihrer Situation und Lösung ihres Problems empfinden würde. Die Coachés oder Ratsuchenden fühlen sich nicht richtig wahrgenommen und nicht verstanden.Visualisierungen liefern das Handwerkszeug und die Techniken, um diese Herausforderung zu meistern. Zeichnen hilft uns
– besser zuzuhören und verstehen zu können
– abzugleichen, ob wir uns ein zutreffendes Bild von der Situation unserer KlientInnen machen
– die Einflussfaktoren zu identifizieren, die ein Problem herbeigeführt haben
– Ressourcen zu identifizieren
– Lösungswege zu ermitteln.
Hier ein Beispiel aus meiner Coachingpraxis: Vor einigen Wochen kam eine Sozialarbeiterin ins Coaching, die ich hier Miriam F. nennen will. Sie war von ihrem Job in einer Jugendhilfestelle frustriert und wollte sich beruflich verändern. Sie fühlte sich in den lieblos gestalteten Räumen nicht wohl und schilderte ihren Arbeitsplatz als heruntergekommen – den Jugendlichen, die sie zu betreuen hatte, ging es womöglich ähnlich, denn sie blieben den Terminen oft fern. Es gab Probleme mit den Drittmittelgebern und Bedrohung durch Konkurrenzprojekte. Was Miriam F. aber noch mehr belastete, waren die langen Teamsitzungen, die sich wie Gummi in die Länge zogen, und bei denen nichts heraus kam, weil die heiklen Themen nicht auf den Tisch kamen. Ich “überzeichnete” die Situation so wie ich sie verstand: Den Arbeitsplatz stellte ich als sinkendes Schiff dar und die Teamsitzung unter einer Käseglocke. Miriam F. war mit dieser Darstellung sehr einverstanden. Die Betrachtung des Bildes erheiterte sie geradezu: “Das mit der Käseglocke stimmt. Wir lassen da nichts an uns ran.” Doch beim Zeichnen der Situationen kamen noch mehr Details zu Tage. Etwa, dass sie ein eigenes Büro hatte und an der hässlichen Einrichtung nichts verändert hatte..Ich zeichnete ein zweites Bild, um den Arbeitsplatz abzubilden, den sie sich wünschte: Wir entfernten die Käseglocke und schrieben statt dessen Themen auf die Zettel, um die es in der Teamsitzung gehen sollte. Den Schreibtisch im Büro zierte ein symbolischer Blumenstrauß. Ab jetzt drehte sich das Gespräch darum, wie Miriam F. ihren Arbeitsplatz verändern konnte und wie sie mit ihren Kollegen und ihrem Vorgesetzten zunächst einzeln über die Teammeetings sprechen wollte. Wir hatten es geschafft, ihren Frust in Ideen zur Veränderung ihrer Situation umzuwandeln.
Nicht immer ist der erwünschte “Soll-Zustand” oder das Ziel so klar zu umreißen, wie in diesem Fall,das oben verwendete Ist-Soll-Template also nicht immer die Vorlage der Wahl. In „Sketchnotes für zwei“ werde ich noch einige andere Beispiele zeigen.
Welche Visualisierungstechnik auch immer wir wählen, sie hilft, emotionale Informationen in ihrem Kontext abzubilden. Das Bild das wir zeichnen, ermöglicht einen Perspektivwechsel und damit die Sicht auf mögliche Lösungen.
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