Wie so viele Sketchnoter habe auch ich erst gedacht, Sketchnotes sind nur für den Hausgebrauch, eine Art Übungs-Visualisierung auf dem Weg zu den Profi-Formaten Graphic Recording, Graphic Facilitation oder Illustration. Ich dachte, sie sind etwas, was man im Stillen für sich selbst macht. Doch dann schwappte die Begeisterung fürs Sketchnoten immer mehr in meinen Job als Beraterin und Coach über und sie fing an, meinen Arbeitsalltag zu verändern. Sketchnotes machen meine Arbeit bunter, lebendiger, lustiger, sie bringen Transparenz, Gedächtnisstützen und Gesprächsimpulse. Das geht nicht nur mir so. Erst kamen die Entwickler, Researcher und Desinger dahinter, dass Sketchnotes im Arbeitskontext enorm nützlich sind. Dann entdeckten es auch die Lehrer, Professoren, Berater und Therapeuten. Jetzt sieht man täglich neue Anwendungsbereiche auf Instagram. Aber was genau kann man “on the Job” mit Sketchnotes anstellen? Ich habe mal gesammelt, wie ich Sketchnotes in meinem Beruf als Beraterin, Coach und für die Öffentlichkeitsarbeit einsetze.
Wie alles anfängt: Sketchnotes nur für mich
Wie die meisten Sketchnoter habe auch ich damit angefangen, Dinge, die ich lernen wollte, zu sketchnoten. Ich habe mir TED-Talks und Video-Tutorials vorgenommen, Hefte für Sketchnotes zu Büchern und Artikeln angelegt und mich mit Stift und Papier in Vorträge gesetzt. Dabei habe ich Erstaunliches festgestellt: Erstens: Ich kann mich besser konzentrieren und die Aufmerksamkeit halten, wenn ich sketchnote. Zweitens: Ich verarbeite den Inhalt intensiver, wenn ich Zusammenhänge und Abläufe visualisiere und bin wählerischer bei dem, was ich notiere. Ich nehme mir gezielter das heraus, was für mich relevant ist. Und drittens: Ich kann mir das einmal notierte besser merken. Selbst wenn ich nach Jahren alte Aufzeichnungen durchgehe, ist die Erinnerung gleich wieder da. Bilder, Symbole und räumliche Anordnung wirken wie „Kleber“ fürs Gedächtnis. Für meinen Job ist das sehr von Vorteil, denn als Beraterin für berufliche Entwicklung muss ich ständig neue Dinge lernen.
Mit der Zeit veränderten sich dann auch meine Kritzeleien in Meetings. Im sketchnote-army podcast mit Mike Rohde beschreibt der UX-Designer und Researcher Chris Spalton diesen Vorgang als Shift von “Mindless Doodling” zu “Business Doodling”. Ich bin kein großer Fan von Meetings. Oft langweilen sie mich, manchmal regen sie mich auf. Mit Sketchnotes schaffe ich es, bei mir und beim Thema zu bleiben und auf dem Papier mitzudenken. Wenn sich die Diskussion im Team zu verlaufen droht, kann ich dann das Blatt hoch halten und so helfen, die verschiedenen Perspektiven zusammen zu bringen.
Für die Reflektion meiner Arbeit sind mir Sketchnotes unerläßlich geworden. Oft sind es die Beratungen, bei denen es nicht voran geht, die mich nachhaltig beschäftigen und dazu bringen, mir ein Blatt vorzulegen und das Ganze aus der Vogelperspektive zu betrachten. Dann hilft es zum Beispiel, den sozialen Kontext, den zeitlichen Ablauf oder zwei Bilder für „Ist- und Sollzustand“ aufzumalen. Bei dieser Reflektion kommen mir Fragen und neue Aspekte in den Sinn, mit denen ich dich nächste Sitzung vorbereiten kann. Die Kritzeleien, die bei der persönlichen Reflektion entstehen, können enorm helfen, die noch unfertigen und unsortierten Gedanken greifbar und sortierbar zu machen. Aus gefunden Problemlösungen kann ich Herangehensweisen generieren, die auch für andere Klientinnen nützlich sind. Wie zum Beispiel unten auf dem Foto, wo ich zeige, wie man die Recherche nach einem neuen Job so gestalten kann, dass man mit interessanten Leuten in Kontakt kommt und ein Gefühl dafür kriegt, wo man hin will.
Sketchnote interaktiv: Gespräche mit Kollegen, Klienten, Partnern
In der Beratungssitzung verwende ich gerne Sketchnotes und Klebezettel. Dazu skizziere ich auf dem Blatt, was das Thema ist: Geht es zum Beispiel um einen beruflichen Übergang, stelle ich unten links eine Figur auf den Startpunkt und zeichne ein Zielfähnchen oben rechts in die Ecke. Dann notiere ich die einzelnen Ideen und Gedanken, die der Klientin im Kopf herum schwimmen auf die Zettel und klebe sie aufs Blatt. So kann man das Durcheinander im Kopf zunächst aufs Papier bannen und dann dort gemeinsam in Ordnung bringen. Ich verwende dafür am Anfang lieber billiges DIN A 4 Druckerpapier als große teure Flipchartbögen. Hier ist die Hemmschwelle viel geringer, den Spielraum aus Papier zu nutzen, zu beflecken, zu verwerfen, neu zu probieren. Wenn es dann vom Druckerpapier aufs Flipchart geht, geht auch der Beratungsprozess in die nächste Phase. Am Ende der Beratung gibt es ein greifbares Ergebnis, das ich mit nach Hause geben kann und das dort weiterarbeiten darf.
Auch im Gespräch mit Kollegen und Vorgesetzten sind Sketchnotes sehr praktisch. Wenn die Zeit knapp ist, wie z.B. in einer kollegialen Beratung oder in einem Mitarbeiterentwicklungsgespräch können wir mit einer vorbereiteten Sketchnote alle uns wichtigen facts “auf den Tisch legen” und auf einen Blick unsere Perspektive vermitteln. Die Gefahr, dass wir einen wichtigen Punkt vergessen oder nicht dazu kommen, ist dann geringer, als wenn wir endlose Listen abarbeiten oder uns auf unser Gedächtnis verlassen müssen. Wir halten im wahrsten Sinne des Wortes “das Heft in der Hand”.
Sketchnotes in der Außenwirkung
Skizzen, die in Arbeitsgesprächen interaktiv entstehen, bilden authentisch ab, worum es im Job geht. Sie kommen lebendiger und „echter“ ‘rüber, als glatte, perfekte Istock-Photos oder Profivisualisierungen. Außerdem haben sie den Vorteil, dass man selbst das Urheberrecht hat und keine zusätzlichen Kosten für das Bildmaterial anfallen.
Deshalb nutze ich immer öfter Sketchnotes in der Öffentlichkeitsarbeit für unsere Beratungsstelle Frau und Beruf e.V. Auf der Sketchnote sind vier Beispiele.
Ich hänge Sketchnotes im Schaukasten aus, mit dem wir an der Hauswand Passantinnen auf unsere Arbeit aufmerksam machen, nutze Ausschnitte für Blogbeiträge und habe ein Erklärvideo entwickelt. Manche Zeichnungen fließen in unsere Arbeitsmaterialien ein, die wir unseren Klientinnen und Workshopteilnehmerinnen mit geben.
Dass Sketchnotes gerade jetzt in allen möglichen beruflichen Kontexten zum Thema werden, kann kein Zufall sein. Die Währung des Informationszeitalters ist Aufmerksamkeit und die wird durch Sketchnotes geweckt und gehalten. Sketchnotes schaffen einen direkten Zugang zu unserer Bilder- und Erfahrungswelt und wecken unsere Emotionen. Sie öffnen Spielräume, verwandeln Papier in Experimentalabors und Stifte in Denkwerkzeuge. Ich glaube, was wir jetzt sehen, ist erst der Anfang.
Ein Gedanke zu „Sketchnotes@work“