Gezeichnete Figuren können im visuellen Coaching und in Gesprächen sehr nützlich sein. Sie lenken die Aufmerksamkeit aufs Papier und ermöglichen es unseren Gesprächspartnern, sich und das eigene Anliegen aufs Papier zu projizieren. Das schafft Abstand, Übersicht und somit Erleichterung. Auf dem Papier, können die gezeichneten Figuren probehandeln, also risikofrei und kostenlos Dinge tun, die im wirklichen Leben vielleicht noch unmöglich oder undenkbar erscheinen. Wir können unser Gegenüber in dem Kontext abbilden, der für ihr Problem relevant ist und sie dahin bewegen, wo die Lösung liegen könnte. Obendrein können wir verstrickte Gesprächssituationen zwischen zwei Gesprächspartnern auflösen, indem sie die Aufmerksamkeit auf etwas Drittes, die Visualisierung, lenken.
Doch wie muss eine Figur gezeichnet sein, damit sie diese Funktionen erfüllen kann? Welche Aufgaben muss sie genau erfüllen?
- Die Coachingfigur muss schnell zu zeichnen sein und darf den Coachingprozess nicht aufhalten.
- Die Figur sollte frei von überflüßigen Elementen sein, die vom Inhalt des Coachings ablenken
- Die Figur sollte die Möglichkeit geben, dass sich die/der Coachée in ihr wiedererkennen und sich mit ihr identifizieren kann
- Sie sollte Emotionen abbilden können, damit sich die Coachées in ihrer Situation und mit ihrem Anliegen verstanden fühlen
- Sie sollte Intentionen und Bewegungsrichtungen abbilden können
- Sie sollte Haltungen und Tätigkeiten abbilden können
- All dies sollte auch ohne graphische Ausbildung umsetzbar sein.
Wahrscheinlich gibt es als Antwort auf diese Anforderungen fast so viele Figuren oder Strichmännchen, wie es visuelle Coaches gibt. Ich möchte mit meiner Figur oben eine Variante vorstellen, die sich im Praxistest, der beruflichen Übergangsberatung und dem Karrierecoaching, bewährt hat.
- Grundform der Figur: Die Figur lässt sich leicht und schnell zeichnen. Sie besteht im wesentlichen aus einem großen „A“ (als Körper mit zwei ausgestellten Beinen) und einem kleinen „o“ als Kopf, in der männlichen Variante sind die Schenkel des großen „A“ mit einem waagerehten Querbalken verbunden.
- Aktionsrichtung: Die Füße bestehen aus zwei Strichen, die die Aktions-Richtung (vorwärts, rückwärts, stehen) anzeigen können: Vorwärts: sie zeigen beide nach rechts, rückwärts: sie zeigen beide nach links, stehen: ein Fuß zeigt nach rechts, ein Fuß zeigt nach links. Aber Vorsicht: Bei Coachées aus Kulturen, die eine andere Leserichtung haben, dürfte diese automatische Lesart nicht funktionieren, weil sie auf unserer Schriftlesart beruht.
- Haltung, Körperhaltung und Aktion: Um zu vermitteln, was eine Figur tut, oder wie sie zu einem bestimmten Kontext steht, braucht es keine Kenntnisse im Aktzeichnen. Einfache „Gummiarme“ (am besten ohne Ellbogen-Ecke) tun es auch. Wenn der Coachée den Kopf einzieht, lasse ich einfach den Hals-Strich weg.
- Identifikation mit der Figur: Man muss auch keinen Kursus in Portraitzeichnen absolviert haben, um sekundenschnell eine Identifikation mit der Figur auf dem Papier herbeizuführen. Ich kombiniere meistens drei Möglichkeiten, die aber auch einzeln funktionieren: Erstens: Ich deute die Frisur an – drei in einem Punkt zusammenlaufende Striche sind dann zum Beispiel ein Pferdeschwanz, Kringel sind ein Wuschelkopf, keine Frisur bleibt eine Glatze. Zweitens: Typische Kleidungsstücke können einfach durch Ausmalen mit der entsprechenden Farbe oder einem Muster angedeutet werden. Das Wichtigste und Dritte schließlich bleibt der Name, den ich einfach zur Figur dazuschreibe. Wenn ich meine Coachée sieze, frage ich immer, ob ich den Vornamen schreiben darf, einfach weil der besser funktioniert:
- Emotionen: Das Thema Körperhaltung leitet zum nächsten Thema über: Emotionen, die sich sowohl in den Gesten (also der Körperhaltung) als auch der Mimik ausdrücken. Emotionen erwecken eine Figur zum Leben und bringen sie in Aktion. In der Coaching-Situation kann ich damit spiegeln, wie ich meine/n Coachée wahrnehme und ich kann ihn oder sie in einem Zustand zeigen, der für das Coaching oder die Veränderungsphase hilfreich ist, gerne stelle ich also meine Coachées positiv, neugierig und selbstbewusst dar, das erhöht die Bereitschaft, sich mit ihr zu identifizieren und kann zugleich eine mögliche alternative Haltung zum Problem vermitteln. Zeichnerisch ist dafür nicht mehr erforderlich, als das, was wir im Kindergarten gelernt haben: Punkt, Punkt (für die Augen), Komma (die Nase kann auch weggelassen werden), Strich für den Mund – sowie ein Kreis für das „Mondgesicht“. Die Matrix zeigt, wie sich allein schon mit der Variation der Mund- und Augenbrauenlinien eine Vielfalt von Emotionen ausdrücken lässt:
Mehr als die oben beschriebenen und gezeigten Zeichen-Kenntnisse, sind nicht nötig um eine gezeichnete Stellvertreterin für unsere GesprächspartnerIn auf dem Papier zum Leben zu erwecken. Wir können ihr Hindernisse in den Weg und Ressourcen bereit stellen, sie in ihr Netzwerk zeichnen und vor verschiedene Lösungsmöglichkeiten stellen.
Wie das genau geht, erkläre ich in meinem Buch „Sketchnotes für zwei – visuelle Tools für Beratung, Coaching und bessere Gespräche“. Weitere Ausschnitte aus dem Buch und monatliche Updates gibt es in meinem Newsletter, der über sketchnotesfuer2.de zu abonnieren ist.